(30.05.2022) Soziale Verantwortung braucht ein Regelwerk – gerade in Krisenzeiten

Bank für Kirche und Diakonie fordert gemeinsam mit Unterstützern aus Kirche und Diakonie zügigen Beschluss der sozialen Taxonomie

Worum geht es?

Zwingen der Krieg und seine Folgen zum Umdenken, zum Beispiel bei der Energieversorgung, oder bewährt sich gerade jetzt eine werteorientierte Grundhaltung? Für die Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) steht die Antwort fest. Selbst wenn die Politik einige etablierte Positionen ändert, sieht sich die Bank in ihren bisherigen Handlungsmaximen bestätigt. Ihre Einstellung und Umsetzung sozialer und ökologischer Verantwortung möchte sie sogar noch weiter ausbauen. Damit sie und ihre Kunden der diakonischen Einrichtungen dafür den dringend notwendigen Handlungsrahmen erhalten, hat sie sich mit einem offenen Brief an die EU-Kommission gewandt. Darin fordert sie, nach der grünen nun auch die soziale Taxonomie zügig auf den Weg zu bringen – als klare Richtlinie für künftige ethisch-nachhaltige Finanzströme und als Chance für die Sozialwirtschaft, die drastischen Folgen des Krieges zu mildern.

Offener Brief an EU-Kommission

Dr. Ekkehard Thiesler, Vorstandsvorsitzender

Adressaten des Engagements:

  • Präsidentin der Europäischen Kommission, Frau Dr. Ursula von der Leyen
  • Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion in der Europäischen Kommission, Frau Mairead McGuinness
  • Generaldirektion Financial Stability, Financial Services and Capital Markets Union (FISMA) bei der Europäischen Kommission, Herr Direktor Marcel Haag
  • Kommissar für Beschäftigung und soziale Rechte bei der Europäischen Kommission, Herr Nicolas Schmit

Sehr geehrte Damen und Herren,

die EU-Taxonomie-Verordnung vom Juli 2021 ist für Investoren eine klare Orientierung, welche wirtschaftlichen Aktivitäten zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel beitragen. Als ethisch-nachhaltige Investoren werden wir uns daran ausrichten und unseren Beitrag zur Erreichung der Ziele des Pariser Klimaabkommens leisten. Wir danken Ihnen für Ihr Engagement und diesen wegweisenden Schritt.

Heute wenden wir uns an Sie, weil wir als ethisch-nachhaltige Investoren und Akteure der Sozialwirtschaft der Auffassung sind, dass die EU-Taxonomie-Verordnung dringend einer Ergänzung durch die soziale Perspektive bedarf. Vor diesem Hintergrund unterstützen wir den Vorschlag, den die Arbeitsgruppe der EU-Plattform on Sustainable Finance am 28. Februar 2022 in ihrem Abschlussbericht vorgelegt hat.

Als ethisch-nachhaltige Investoren halten wir es für wichtig, dass zukünftig auch wirtschaftliche Aktivitäten, die im Aktionsplan für die soziale Säule der EU als Themenfelder identifiziert wurden, als nachhaltig und taxonomiekonform klassifiziert werden können. Insbesondere geht es uns um Investitionen, mit denen wir nachweislich einen angemessenen Lebensstandard, den Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern und die Teilhabe/Inklusion an der wirtschaftlichen Infrastruktur und dem gesellschaftlichen Leben positiv beeinflussen. Die Sozialwirtschaft, die häufig nicht die Gewinnerzielung, sondern das Wohl der Menschen in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt, muss nach unserer Überzeugung einen gleich hohen Stellenwert genießen wie wirtschaftliche Aktivitäten zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung. Auf ein konkretes Beispiel bezogen fordern wir, dass Investitionen in ein Krankenhaus oder in eine Obdachloseneinrichtung nicht schlechter gestellt werden dürfen als Investitionen in die Klimaanpassung eines Stahl- oder Zementwerks.

Als Beispiele für Themenfelder aus dem Aktionsplan der EU für die soziale Säule, die nach unserer Auffassung unbedingt als nachhaltige und taxonomiekonforme Aktivitäten zu klassifizieren sind, können wir Ihnen folgende Bereiche nennen:

  • Bildung, Ausbildung und lebenslanges Lernen, insbesondere zur Gewährleistung eines gerechten grünen und digitalen Übergangs
  • Gesundheitsversorgung, insbesondere erschwingliche und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung in unterversorgten Regionen
  • Eingliederung von Menschen mit Behinderungen, insbesondere durch innovative Produkte und Dienstleistungen
  • Langzeitpflege, insbesondere erschwingliche und hochwertige Pflege in unterversorgten Regionen
  • Unterbringung und Unterstützung von Obdachlosen, insbesondere in Gebieten, in denen die Mieten in den letzten Jahren stark gestiegen sind
  • Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen wie digitaler Kommunikation und öffentlichem Verkehr in unterversorgten Regionen


Die von der EU-Plattform on Sustainable Finance skizzierte soziale Taxonomie beinhaltet diese Aspekte und kann eine gute Grundlage für die Ergänzung der grünen EU-Taxonomie sein. Dass in diesem Zusammenhang auch ein guter und menschenwürdiger Umgang mit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern (Decent Work) sichergestellt werden soll, halten wir ebenfalls für wichtig und unterstützenswert.

Als ethisch-nachhaltige Kapitalanleger aus dem kirchlich-diakonischen Bereich setzen wir seit vielen Jahren Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) in unseren Strategien um. Daher wollen wir die sozialen Wirtschaftsaktivitäten in unseren Portfolios und bei der Kreditvergabe ebenso berücksichtigen wie ökologische Werte. Ohne eine soziale Taxonomie fehlt uns eine klare Leitlinie dafür, was als „sozial" zu klassifizieren ist. Perspektivisch sehen wir sogar erschwerte Finanzierungsbedingungen für die Sozialwirtschaft. Daher bitten wir Sie dringend, sich für eine Vervollständigung der EU-Taxonomie einzusetzen.

Freundliche Grüße
Ihre Bank für Kirche und Diakonie

Dr. Ekkehard Thiesler (Vorstandsvorsitzender) und Christian Müller (Prokurist/Nachhaltigkeitsbeauftragter)                                       

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