„Nachhaltigkeit in den Sozialgesetzbüchern verankern“

Diakonische Unternehmen beraten Wege zur Klimaneutralität

Datum: 29. April 2022   

Diakonische Sozialunternehmen wollen bis 2035 klimaneutral wirtschaften und hierfür Milliardensummen in Gebäude und Prozesse investieren. Diakonie Deutschland und VdDD schlagen vor, die Refinanzierungsregeln sozialer Arbeit um das Kriterium der Nachhaltigkeit zu ergänzen. Eine Tagung zeigt Ansätze aus der Praxis.

  • Akteurinnen und Akteure beraten in Berlin, wie Klimaschutzziele und Nachhaltigkeit in der Diakonie umzusetzen sind
  • Studie schätzt den Investitionsbedarf für die Sozialbranche auf mindestens 65 Milliarden Euro bis 2035

Diakonische Einrichtungen wie Pflegeheime, Krankenhäuser, Werkstätten für Menschen mit Behinderung oder Kindergärten wollen bis 2035 die von der EU formulierten Ziele zur Klimaneutralität erreichen und hierfür unter anderem in Energieeffizienz investieren. Die Projektgruppe „Kamel und Nadelöhr“, die aus der katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt entstanden ist, schätzt den entsprechenden Investitionsbedarf für ein durchschnittliches Pflegeheim auf 1,8 Millionen Euro. Um in der gesamten Sozialwirtschaft (ohne den Krankenhausbereich) die Ziele der EU-Taxonomie bis zum Jahr 2035 zu erreichen und die Perspektive Klimaneutralität realisieren zu können, sind Investitionen von mindestens 65 Milliarden Euro notwendig, wie aus einer Pilotstudie hervorgeht, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde.

Vor diesem Hintergrund fordern der Verband der diakonischen Dienstgeber in Deutschland (VdDD) und die Diakonie Deutschland, das Kriterium der Nachhaltigkeit in den Refinanzierungsregeln der Sozialgesetzbücher zu verankern. „Diakonische Unternehmen wollen in Nachhaltigkeit investieren, doch sie müssen es auch dürfen“, so Rolf Baumann, stv. VdDD-Geschäftsführer. Bislang zielen die Refinanzierungsregeln sozialer Arbeit vor allem auf die Wirschaftlichkeit und Sparsamkeit ab. Vorbild für eine Neuregelung könnten laut Baumann Nachhaltigkeitskriterien für öffentliche Aufträge des Bundes sein. „Wir brauchen jetzt eine Klima-Investitionsoffensive für die Sozialwirtschaft“, so Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland. Zusätzlich zur Neuregelung in den Sozialgesetzbüchern sollten laut Lilie kurzfristig Förderprogramme aufgelegt oder ausgebaut werden. „Wir wollen unseren Teil zum Klimaschutz leisten, können aber als gemeinnützige Einrichtungen die erforderlichen Kosten für die klimaneutrale Gebäudesanierung nicht komplett selbst erwirtschaften.“ Aus demselben Grund müssten auch die Eigenanteile für die Förderprogramme niedrig ausfallen.

Ekkehard Thiesler, Vorstandsvorsitzender der Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank), erklärt hierzu: „Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit müssen sich nicht widersprechen, gerade Investitionen in die Energieeffizienz sparen mittel- und langfristig große Kosten ein. Damit die Sozial- und Gesundheitsbranche und damit auch die Diakonie zukunftsfähig bleibt und sich dem existenziellen Thema der Nachhaltigkeit ambitioniert stellen kann, unterstützen wir Kunden mit unseren Leistungen. Dazu zählen u. a. die Vermittlung von Förderkrediten, aber auch Beratungen zu energetischen Sanierungen, zur Umstellung auf regenerative Energien oder zum Einsatz unseres Nachhaltigkeitsfilters, um nur ein paar Beispiele zu nennen."

Strategietagung Nachhaltigkeit

Verantwortliche aus diakonischen Unternehmen haben im Rahmen einer Tagung des VdDD und der KD-Bank in Kooperation mit der Diakonie Deutschland darüber beraten, wie Nachhaltigkeits- und Klimaschutzziele umzusetzen sind. Zum Auftakt der Tagung erklärte Christian Kühn, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesumweltministerium: „Sozial- und Wohlfahrtsverbände haben großes Potenzial für Klimaschutz, Nachhaltigkeit und die Vorsorge gegen künftige klimabedingte Belastungen. Das Bekenntnis der diakonischen Sozialunternehmen, bis 2035 klimaneutral wirtschaften zu wollen, begrüße ich sehr. Doch Klimakrise und -anpassung stellen soziale Einrichtungen auch vor enorme Herausforderungen. Darum ist es richtig, dass sie diese Herausforderungen nicht allein bewältigen müssen und das Bundesumweltministerium sie dabei unterstützt, beispielsweise mit Förderprogrammen wie ‚Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen‘.“

Investieren, Elektrifizieren, Kompensieren

Im Fokus der Tagung stand die Frage, wie Klimaneutralität – vor allem im Bereich der Sozialimmobilien – zu erreichen ist. Zur Diskussion standen unter anderem Investionen, etwa  in die Gebäudedämmung und die eigene Erzeugung erneuerbarer Energie, die Elektrifizierung in den Bereichen Mobilität und Wärmeenergie sowie die Kompensation von CO2-Emissionen über entsprechende Zertifikate. „Klimaneutrales Wirtschaften ist als mittelfristiges Ziel heute ein gesellschaftliches Muss gerade auch für Sozialunternehmen“, so Jens Hesselbach, Experte für umweltgerechte Prozesse an der Universität Kassel. „Wichtig ist es dabei, in eigene Maßnahmen zu investieren, die tatsächlich zur Reduktion von Treibhausgasemissionen führen und nicht der Verlockung eines Greenwashings zu verfallen – auch wenn dieser Weg deutlich mühsamer ist. Es lohnt sich und macht glaubhaft“.

Über die Strategietagung Nachhaltigkeit

Die "Strategietagung Nachhaltigkeit" fand am 28. und 29. April 2022 zum zweiten Mal in Berlin statt. Organisiert wurde die Tagung vom Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland (VdDD) und der Bank für Kirche und Diakonie (KD-Bank) in Kooperation mit der Diakonie Deutschland.

Über die Veranstalter

Der VdDD vertritt als bundesweiter Unternehmensverband die wirtschaftlichen Interessen von rund 180 diakonischen Sozialunternehmen mit insgesamt etwa 500.000 Beschäftigten.

Die Bank für Kirche und Diakonie zählt zu den 20 größten Genossenschaftsbanken in Deutschland. Kirchliche Anlagegelder ethisch-nachhaltig zu investieren und damit soziale Projekte zu finanzieren ist das Kerngeschäft der Bank.

Die Diakonie Deutschland ist der Dachverband von Mitgliedseinrichtungen mit bundesweit rund 31.600 ambulanten und stationären Diensten wie Pflegeheimen und Krankenhäusern, Beratungsstellen und Sozialstationen in denen fast 600.000 Menschen hauptberuflich arbeiten.  

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