Am 27. Januar 2020 jährt sich die Befreiung von Auschwitz zum 75. Mal. Dr. Ekkehard Thiesler, Vorstandsvorsitzender der KD-Bank, ist seit über zehn Jahren ehrenamtliches Mitglied im Finanzausschuss der International Auschwitz-Birkenau Foundation (Warschau). Die Redaktion sprach mit ihm über sein Engagement, über die Notwendigkeit des Erinnerns und über die Gewalttaten mit antisemitischer Motivation, die in den vergangenen Monaten und Jahren besorgniserregend zugenommen haben.
(03.01.2020) 27. Januar: Jahrestag der Befreiung von Auschwitz
Interview mit Dr. Ekkehard Thiesler, Vorstandsvorsitzender der KD-Bank
Herr Dr. Thiesler, die Internationale Auschwitz Stiftung sichert den Erhalt der Gebäude und des Inventars des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz. Wie viel Geld steht der Stiftung dafür zur Verfügung?
Dr. Ekkehard Thiesler: In den vergangenen zehn Jahren haben wir für den internationalen Fonds 120 Millionen Euro einsammeln können. Im Finanzausschuss geht es – neben der Überwachung einer ordnungsgemäßen Vergabe der Mittel für die Restaurierungen – vor allem darum, das Stiftungsvermögen „richtig“ zu verwalten. Das heißt: Wie legt man dieses Geld, das zur Hälfte aus Deutschland kam, nachhaltig und ethisch unbedenklich so an, dass man mit der Rendite die nötigen Restaurierungsarbeiten vornehmen kann? Wir haben deswegen Anlagerichtlinien verfasst, die auch vom Bund und den Bundesländern genehmigt wurden.
Und reicht dieses Geld?
Dr. Ekkehard Thiesler: Leider nicht, auch wegen des niedrigen Zinsniveaus. Die Instandhaltung und Restaurierung ist eine ebenso wichtige wie aufwendige Aufgabe. Die Reste der Gaskammern und Krematorien, Baracken und Latrinen im ehemaligen Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau vermitteln den Besuchern nachdrücklich, wie die Opfer der Nationalsozialisten hier leiden mussten. Doch wenn man die Anlagen nicht immer wieder ausbessert, zerfallen sie. Ich war oft dort und habe gelernt, dass die Restauratoren vor ganz neuen Herausforderungen stehen: Wie restauriert man schlecht gebrannte Ziegel? Wie konserviert man die Berge von Schuhen? Oder Haare?
Was haben Sie im Finanzausschuss gemacht, um das Vermögen zu sichern?
Dr. Ekkehard Thiesler: Nach vielen Gesprächen ist es uns gelungen, den deutschen Beitrag noch einmal aufzustocken. Ich bin Bundeskanzlerin Angela Merkel und vor allem auch NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet sehr dankbar, dass wir in den nächsten drei Jahren nun zusätzlich 59 Millionen Euro erhalten.
Antisemitische Postings über die sozialen Medien nehmen zu, mit dem Aufstieg der Neuen Rechten steigt auch die menschenverachtende und rassistische Gewalt in Deutschland an. Was kann man dagegen machen?
Dr. Ekkehard Thiesler: „Schaut hin“ lautet das dem Markusevangelium entnommene Leitwort für den 3. Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt im Jahr 2021. Es meint eben das Gegenteil von Wegschauen, nämlich genau hinsehen, sich von menschenverachtenden Aussagen distanzieren und klare Worte gerade heute gegen den neuen Antisemitismus finden. Wir haben jüdische Institutionen als Kunden und wir sind ihnen nicht nur als Bank, sondern auch als Menschen verpflichtet. Es gilt, jede Art von Antisemitismus schonungslos zu kritisieren und ihn auf keinen Fall schulterzuckend hinzunehmen.
Was treibt Sie persönlich an?
Dr. Ekkehard Thiesler: Gerade weil rechtsradikales Gedankengut in manchen Kreisen zunehmend verherrlicht wird und es sogar wieder Anschläge auf Synagogen wie zuletzt in Halle gibt, halte ich Aufklärung und Erinnern an den dunkelsten Teil unserer Geschichte für wichtiger denn je. Ich fühle mich der Arbeit der Stiftung zutiefst verbunden. Ihr Ziel ist es ja, die Stimmen, die Mahnung und das Vermächtnis derjenigen, die die Nazi-Verbrechen noch selbst erlebt und überlebt haben, an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben und in Erinnerung zu halten.
Warum sind Erinnern und Gedenken so wichtig?
Dr. Ekkehard Thiesler: Unsere Fähigkeiten, Geschichten zu erzählen und zu reflektieren, der Toten zu gedenken und damit ein kollektives Gedächtnis zu entwickeln, machen uns doch erst zu Menschen. Es ist für unser zukünftiges Überleben existenziell, dass ein Thema wie der Holocaust nicht in Vergessenheit gerät, sondern aktuell bleibt und weiterbearbeitet wird. Neue Generationen richten auch neue Fragestellungen an diese Geschichte.
Inwiefern unterstützt die KD-Bank diese Erinnerungskultur?
Dr. Ekkehard Thiesler: Wir freuen uns, Stiftungen und gemeinnützige Vereine mit unseren Dienstleistungen unterstützen zu können. Eine dieser Stiftungen fördert beispielsweise Studienfahrten nach Auschwitz-Birkenau. Es ist wichtig, dass auch Schulkinder solche Orte besuchen können. Hier sehen und spüren sie, was es heißt, wenn die Freiheit und sogar das Leben genommen werden. Auch halten wir es für absolut notwendig, die Bedeutung der jüdischen Kultur und Geschichte für Deutschland und Europa wachzuhalten. Deshalb unterstützen wir den Verein „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“.
Vielen Dank, Herr Dr. Thiesler.
Foto oben (© Auschwitz-Birkenau Foundation): Das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau war das größte deutsche Konzentrations- und Vernichtungslager. Über 1,1 Millionen Menschen wurden hier ermordet.