So lautet das Motto der sieben Sozialkaufhäuser des Diakoniewerks Duisburg. Auf insgesamt mehreren Tausend Quadratmetern Verkaufsfläche werden Kleidung, Möbel, Weißwaren, Gläser, Porzellan, Deko-Gegenstände und Kleingeräte zu erschwinglichen Preisen angeboten. Was steckt dahinter? – Ruth Stratmann und Siegbert Weide vom Diakoniewerk Duisburg im Interview.
Gutes aus zweiter Hand
Kaufhäuser der Diakonie in Duisburg
Viele Menschen haben den Wunsch, selbstständiger zu wohnen, auch wenn sie eine Rund-um-die-Uhr-Assistenz benötigen. Dies ist jedoch bisher kaum möglich. Die sogenannte „besondere Wohnform“ oder das „Wohnheim“ ist das vorherrschende Modell und für die meisten Menschen die einzige Möglichkeit. Dabei beinhaltet Artikel 19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK) die Aussage, dass „Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.“
Im inklusiven Gemeinschaftshaus leben Menschen mit und ohne Behinderung unter einem Dach und nicht in verschiedenen Häusern. Spricht man hier von den Bewohnern, so sind alle gemeint, Menschen ohne Assistenzbedarf genauso wie Menschen, die auf Assistenz angewiesen sind. Das war für uns auch eine entscheidende Haltungsfrage.
Im Konzept ist die nachbarschaftliche Unterstützung verankert. Die Bewohnerinnen und Bewohner unterstützen sich gegenseitig im Alltag. Jeder trägt etwas bei, sodass unterschiedliche Nachbarschaftsleistungen im Rahmen eines freiwilligen Engagements die Hausgemeinschaft stärken. Die Post für den Nachbarn annehmen, Getränke aus dem Supermarkt mitbringen, beim Regalaufbau helfen, für andere mal etwas kochen – um solche Dinge geht es. Die Verpflichtung zur Nachbarschaftsleistung ist über die Hausordnung verankert. Uns war wichtig, die Hausgemeinschaft konzeptionell starkzumachen. Teilhabe ist keine Einbahnstraße – Menschen mit Behinderungen sollen nicht vorrangig als „Assistenznehmer“ und „Empfänger“ von bürgerschaftlichem Engagement wahrgenommen werden, sondern auch als „Geber“. Inklusion kann nur gelingen, wenn alle etwas beitragen.
Menschen mit Behinderung
nehmen derzeit eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung in der Pistoriusstraße in Anspruch.
Studierende
haben die Möglichkeit, in Form von WGs oder Einzelapartments im Gemeinschaftshaus zu wohnen.
weitere Personen
wie beispielsweise Senioren, Familien oder Alleinstehende leben im Inklusionshaus.
Gemeinschaft
für Menschen mit und ohne Behinderung.
In der Pistoriusstraße 30 in Berlin-Weißensee eröffnete im Frühjahr 2017 ein inklusives Gemeinschaftshaus. Initiator dieses Projekts ist die leben lernen gGmbH am Evangelischen Diakoniewerk Königin Elisabeth. Sie bietet Wohn- und Arbeitsangebote für Menschen mit schwerer geistiger Behinderung und erhöhtem Unterstützungsbedarf an verschiedenen Standorten in Berlin. Das Inklusionshaus soll in erster Linie ein selbstverständliches Zusammenleben von Menschen mit und ohne Behinderung ermöglichen und basiert auf der Bereitschaft, sich untereinander zu helfen und zu unterstützen. Ziel ist es, den Bewohnerinnen und Bewohnern mit Behinderung eine weitestgehend autonome Lebensführung zu ermöglichen. Über die ersten Erfahrungen, Herausforderungen und Höhepunkte des Projekts „PI30“ berichtet Jeannette Pella, Geschäftsführerin der leben lernen gGmbH am EDKE.
Viele Menschen haben den Wunsch, selbstständiger zu wohnen, auch wenn sie eine Rund-um-die-Uhr-Assistenz benötigen. Dies ist jedoch bisher kaum möglich. Die sogenannte „besondere Wohnform“ oder das „Wohnheim“ ist das vorherrschende Modell und für die meisten Menschen die einzige Möglichkeit. Dabei beinhaltet Artikel 19 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (BRK) die Aussage, dass „Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben.“
Im inklusiven Gemeinschaftshaus leben Menschen mit und ohne Behinderung unter einem Dach und nicht in verschiedenen Häusern. Spricht man hier von den Bewohnern, so sind alle gemeint, Menschen ohne Assistenzbedarf genauso wie Menschen, die auf Assistenz angewiesen sind. Das war für uns auch eine entscheidende Haltungsfrage.
Im Konzept ist die nachbarschaftliche Unterstützung verankert. Die Bewohnerinnen und Bewohner unterstützen sich gegenseitig im Alltag. Jeder trägt etwas bei, sodass unterschiedliche Nachbarschaftsleistungen im Rahmen eines freiwilligen Engagements die Hausgemeinschaft stärken. Die Post für den Nachbarn annehmen, Getränke aus dem Supermarkt mitbringen, beim Regalaufbau helfen, für andere mal etwas kochen – um solche Dinge geht es. Die Verpflichtung zur Nachbarschaftsleistung ist über die Hausordnung verankert. Uns war wichtig, die Hausgemeinschaft konzeptionell starkzumachen. Teilhabe ist keine Einbahnstraße – Menschen mit Behinderungen sollen nicht vorrangig als „Assistenznehmer“ und „Empfänger“ von bürgerschaftlichem Engagement wahrgenommen werden, sondern auch als „Geber“. Inklusion kann nur gelingen, wenn alle etwas beitragen.
Im inklusiven Gemeinschaftshaus gibt es nicht nur Wohnraum für Menschen mit Unterstützungsbedarf, sondern auch Mietwohnungen/Apartments für Menschen, die keine Assistenzleistungen in Anspruch nehmen. In dem Haus gibt es insgesamt 18 Wohnplätze mit Rund-um-die-Uhr-Assistenz. Diese teilen sich in 4 Wohngruppen à 4 Wohnplätze plus 2 Apartments für betreutes Wohnen auf.
In den Wohngruppen und Einzelapartments erhalten Menschen mit Behinderung bei der Bewältigung ihres Alltags und bei der Entfaltung ihrer Persönlichkeit umfassende Assistenz, die sich an ihren individuellen Bedarfen orientiert. Um Teilhabechancen zu erhöhen, werden sie auf eine möglichst selbstständige Lebensführung vorbereitet. Die Erweiterung lebenspraktischer und sozialer Fähigkeiten steht dabei im Mittelpunkt. Begleitet und unterstützt werden sie von erfahrenem Fachpersonal, welches eine Rund-um-die-Uhr-Assistenz gewährleistet.
Außerdem gibt es im inklusiven Gemeinschaftshaus insgesamt 7 Wohnungen, die an Privatpersonen vermietet sind. Dem Inklusionsgedanken folgend sind diese Wohnungen von Mietern (Familien, Senioren, Alleinstehenden etc.) bewohnt, die keine Eingliederungshilfeleistungen durch leben lernen in Anspruch nehmen. Eine weitere Besonderheit im inklusiven Gemeinschaftshaus ist der Wohnraum für Studierende (2 Studenten-WGs und 3 Studenten-Einzelapartments). Die Studierenden sind angestellt (geringfügig) und unterstützen bei der Assistenz in den Wohngruppen. So können die Studierenden Erfahrungen in der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen sammeln und verdienen neben dem Studium etwas Geld, um einen Teil der Miete zu finanzieren.
Für die Hausbewohner natürlich der Einzug in ihr neues Zuhause, der im Juni 2017 erfolgte. Im Juli hat das erste Hoffest stattgefunden, an dem neben den Hausbewohnern auch viele Gäste feierlich versammelt waren. In kurzer Zeit wurden Kontakte zur Nachbarschaft im Kiez aufgebaut, zu Geschäften, Initiativen, zur Kirchengemeinde. Erste Kooperationen wie Märchennachmittage für die benachbarte Kita oder die Nutzung des Gemeindesaals durch die Theatergruppe von leben lernen zeigen, dass Teilhabe durch Präsenz und Engagement im Kiez gelingen kann. Auf die Möglichkeit, sich im Alltag zu begegnen, Kontakte und Freundschaften zu knüpfen, bestimmte Dinge gemeinsam anzugehen und keinen Unterschied aus der Tatsache abzuleiten, ob jemand beeinträchtigt ist oder nicht – darauf kommt es an.
Der Alltag der Menschen, die in dem Haus wohnen, ist so individuell wie die Menschen es sind. Einen „klassischen“ Tagesablauf oder Alltag, der in manchen Wohnformen für Menschen mit Behinderung leider noch vorherrscht, wollen wir bei leben lernen nicht.
Der ist oft strukturell und organisatorisch auf die Gruppe orientiert und hat wenig mit den Bedürfnissen des einzelnen Menschen zu tun. Alle stehen um die gleiche Zeit auf, alle frühstücken zusammen und am Abend wird um 21:30 Uhr das Licht ausgemacht. Genau das wollen wir nicht!
Der Alltag soll unter Berücksichtigung von Notwendigkeiten vor allem auf die Bedürfnisse, Interessen und Wünsche der Bewohner ausgerichtet sein. Viele Menschen arbeiten unter der Woche, das wäre so eine Notwendigkeit. Manche Menschen stehen aber auch am Wochenende gern früh auf, andere lieber erst gegen Mittag. Manche machen samstags Ordnung im Haus, andere sind lieber unterwegs und verteilen solche haushaltlichen Erfordernisse über die Woche. Manche sehen abends lange fern, andere nicht. Kurzum: Da geht es Menschen mit Behinderung nicht anders als Menschen ohne. Und so wollen wir auch unsere professionelle Assistenz im Alltag für Menschen mit Behinderung verstehen
und uns eben danach richten.
Die Menschen davon zu überzeugen, dass es bei allen strukturellen und finanziellen Zwängen notwendig ist, dass Menschen mit und ohne Behinderung in einem Haus wohnen, war eine der größten Herausforderungen im Zuge der Realisierung des Projekts. Ohne gelebte Begegnung im Alltag bleibt Inklusion eine Illusion. Wenn Menschen mit Behinderung in Heimen wohnen müssen, weil sie eine Rund-um-die-Uhr-Assistenz benötigen, wie soll dann ein selbstverständliches Miteinander überhaupt entstehen?